Welche Prognosen erlaube ich mir im ersten Monat dieses neuen Jahres?
Erstens: Der Kunstmarkt tendierte in den letzten Jahrzehnten dazu, immer leicht zeitverzögert auf Rezessionen zu reagieren. Dies sah man um 1990/1991 sowie 2008/2009. Dementsprechend könnten die extrem Wohlhabenden, die ihr Vermögen zum Großteil vermehren werden, das Hochpreissegment stark unterstützen und die Preise für einige wenige Künstler in weitere Höhen führen. Nach den unglaublichen Rekorden, mit denen das letzte Jahr zu Ende gegangen ist – Paul G. Allen, Doris und Thomas Ammann, Beeple werden nur als kurze Namen genannt, die eng mit Preisrekorden im Jahr 2022 in Verbindung stehen – , erwarte ich in diesem Jahr daher eine weitere Stärkung des Marktes im Hochpreissegment. Offensichtlich werden die Höchsteinkommen noch weiter steigen und in Kunst als langfristige Anlage investieren.
Zweitens: Die Preise für Werke mittlerer Preiskategorie könnten eine Abkühlung erhalten. Viele Künstler, die Kunst für Preise zwischen 25.000 EUR und 100.000 EUR anbieten, werden weniger Verkäufe realisieren können.
Drittens: Zeitgleich werden es junge Künstler, die noch nicht international auf dem Markt ausgerichtet sind, schwerer haben, ihre Arbeiten zu verkaufen, da die kunstaffine Mittelschicht relativ gesehen über ein geringeres Vermögen und über weniger Kaufkraft verfügen. Hier sehe ich die größten Schwierigkeiten, auf dem Markt Fuß zu fassen.
Viertens: Preise für Werke von Künstlerinnen werden sich weiter nach oben entwickeln. Weibliche Kunst wird mehr Gehör und Anerkennung in allen Segmenten der Kunstwelt erleben. Hier erwarte ich sowohl für Ausstellungen, erzielte Verkaufspreise, Publikationen eine weitere Verstärkung der Tendenz, dass Künstlerinnen ihren Platz in der Kunstgeschichte sichtbar machen.
Fünftens: Das Thema der Nachhaltigkeit wird auch die Kunstwelt beschäftigen. Durch radikale und moderate Aktionen wird das Bewusstsein für unsere Umwelt und unser Klima auch Arbeitsprozesse in der Kunstwelt beeinflussen.